Die letzten Monate waren sowohl für die P2P Marktplätze als auch für die meisten Anleger in dieser Anlageklasse eine Herausforderung. Die von mir im März schon beschriebenen Liquiditätsengässe haben auch im April und Mai angehalten und bei vielen Plattformen ist das Neuvolumen der Kredite dramatisch eingebrochen.
Hier die aktuelle Lage bei ausgewählten Plattformen:
Bondora*: Sowohl im April und Mai wurden Auszahlungen aus den Go&Grow Accounts nur sehr verzögert ausgeführt (Stichwort Teilauszahlungen). In diesem Punkt hat sich die Lage aber seit wenigen Tagen wieder normalisiert und Go&Grow Auszahlungen erfolgen wieder zügig. Das Neukreditvolumen ist im April und Mai gegenüber den Vormonaten stark zurückgegangen, hat sich aber jetzt anscheinend wieder normalisiert. Bondora hat angekündigt sich zunächst ausschließlich auf estnische Kredite zu konzentrieren.
Mintos*: Auch bei Mintos war das Neukreditvolumen extrem zurückgegangen, hat sich aber inzwischen wieder stabilisiert. Allerdings sind die pending payments (‚ausstehende Auszahlungen‚) auf einem sehr hohen Niveau und auch sonst reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Zuletzt wurde der Anbahner Cashwagon suspendiert.
Estateguru*: Estateguru scheint bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen zu sein. Zwar ist das finanzierte Kreditvolumen zurückgegangen, aber die Anlegernachfrage war stabil, alle neuen Kredite wurden zügig finanziert. Zudem hat Estateguru im Rahmen einer Crowdinvestment Runde 920.000 Euro neues Kapital von über 1000 Investoren eingesammelt.
Investly*: Investly ist einer der Gewinner in der aktuellen Situation. Das Neukreditvolumen ist relativ stabil geblieben und der CEO teilte mir mit die Nachfrage auf Seiten der Unternehmen für die Rechnungsfinanzierung sei sprunghaft gestiegen.
Ratesetter Australien: Das Geschehen zeigte erhebliche Verwerfungen (Details sieh mein Artikel ‚So liefen meine P2P Kredite bei Ratesetter Australien in den letzten Wochen‚ von Mitte April). Das Neukreditvolumen hat sich halbiert und noch nicht wieder erholt. Aber der Zwangs-Reinvest im 1-Monatsmarkt ist vorbei und leider haben sich auch die Zinsen im 1 Monatsmarkt wieder normalisiert. Diese lagen im Mai oft bei 8-9%; jetzt bewegen sie sich eher bei 4-5%.
Peerberry*: Ich bin selbst bei Peerberry nicht investiert aber laut den Berichten anderer Anleger scheint Peerberry die Krise (bisher) sehr gut gemeistert zu haben.
Viainvest*: Auch Viainvest scheint die Krise ohne sichtbare Beeinträchtigungen bewältigt zu haben. Liquidität war nach meinen Erfahrungen jederzeit vorhanden. Das Geschäft lief weiter wie vor der Krise mit nur moderatem Rückgang des Neukreditvolumens.
Robocash*: Auch bei Robocash gab es soweit ich das beobachten konnte, keine Beeinträchtigungen.
Finbee*: Finbee konnte das Volumen erheblich steigern, da sie die vom Staat garantierten Kredite an Unternehmen vermitteln.
Linked Finance*: Linkedfinance ist meine größte P2P Position. Und da es sich bei der irischen Plattform Linkedfinance um Firmenkredite handelt, hatte ich hier die größte Skepsis ob die Plattform gut durch die Krise kommt. Bei rund der Hälfte meiner Kredite waren zwischenzeitlich die Zahlungen pausiert. Jetzt normalisiert sich das Bild langsam wieder. Aktuell sind noch bei rund einem Viertel (79 von 319) meiner Kredite die Zahlungen ausgesetzt. Insgesamt ist die Entwicklung besser als ich im Februar/März befürchtet hatte.
Assetz Capital*: Die Liquidität bei den Access Produkten ist fast völlig versiegt. Zeichen für Besserung kann ich nicht erkennen. Assetz Capital will einen Zweitmarkt für die Access Anlagen einführen, dieser ist aber bisher nur angekündigt. Positiv für die Finanzlage der Plattform wird sich voraussichtlich auswirken, dass sie die Genehmigung erhalten hat sogenannte CBILS (Coronavirus Business Interruption Loan Scheme) Kredite im Rahmen des Konjunkturpaketes der britischen Regierung zu vergeben.
Viventor*: Bei Viventor ist das Neuvolumen stark zurückgegangen. Einzelne Loan Originators scheinen Schwierigkeiten mit der Rückzahlung zu haben. Und letzte Woche kam die Nachricht, dass Viventor verkauft wurde.
Crowdestor*: Bei den vielen Projekten ist aktuell die Rückzahlung ausgesetzt oder verzögert.
Ist die Krise also ausgestanden?
Was bisher zu sehen war, waren m.E. vor allem die Auswirkungen von Liquiditätsengpässen (produktbedingt, bedingt durch stark gesunkene Anlegernachfrage, oder auf Seiten von Darlehensanbahnern).
Die Plattformen haben die Auswirkungen der Coronakrise aber noch nicht überstanden, denn was nun noch kommen kann, sind steigende Ausfallraten. Der Konjunktureinbruch wird dazu führen, dass mehr Kreditnehmer als vor der Krise nicht zahlen können. Dieser Effekt wird sich in den meisten Märkten mit einigen Wochen/Monaten Verzögerung auswirken. Zu beobachten ist er schon in UK, wo bei Zopa und Funding Circle UK die Ausfallraten steigen. Bei Ratesetter UK war es am offensichtlichsten – Ratesetter musste schon Anfang Mai den Provision Fund stützen, indem die Zinssätze für Anleger für alle Kredite (auch laufende) halbiert wurden, da ansonsten der Provision Fund Gefahr lief die steigenden Ausfälle nicht mehr kompensieren zu können.
Auch die Immobilienplattformen in UK haben sichtbar Probleme. Ob das tatsächlich auch an Rückgängen im Markt liegt, oder nur an einem Vertrauensverlust der Anleger und überzogenen Bewertungen ist schwer für mich zu beurteilen. Die Preise im Immobilienmarkt in D sind laut Presseberichten bisher mehr oder weniger stabil. Und auch im Baltikum ist bisher noch nicht auszumachen ob es zu einem Rückgang der Preise kommen wird.
Fazit: Die Krise ist für den P2P Kredit Sektor insgesamt noch nicht ausgestanden auch wenn es bei einzelnen Plattformen so aussieht, als bessere sich die Lage.